Von Olivier Kessler
Seit dem Tsunami-Unglück in Japan übt sich der Bundesrat in der Energiepolitik in blindem Aktionismus. Von demokratischer Legitimation der teuren „Energiewende“ ist weit und breit keine Spur.
Die Atomenergie wird von den Gegnern schon seit jeher zu einer Glaubensfrage hochstilisiert. Entweder man schliesst sich dem heiligen Krieg gegen neue und bestehende Kernkraftwerke an, oder man ist ein Ungläubiger – pardon: ein Unmensch. Selbstverständlich, die potenziellen Folgen von AKW-Unfällen darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vielfach ist es aber so, dass der Fokus bei politischen Diskussionen nur auf den Negativaspekten der Kernenergie liegt. Gleichzeitig werden alternative Energien zu Quasi-Gottheiten hochstilisiert, die uns von all unseren Problemen erlösen sollen.
Fakt ist: Im Jahr 2003 lehnte das Volk an der Urne den Ausstieg aus der Atomenergie klar und deutlich ab. 66,3 Prozent der Stimmbürger waren damals gegen die „Energiewende“. Der Auftrag des Volkes an die Volksvertreter könnte eindeutiger nicht sein. Trotzdem reichte ein Reaktorunfall auf der anderen Seite der Welt (Fukushima), um die über Jahrzehnte bewährte Strategie über den Haufen zu werfen. Das Windfahnengremium beschloss eigenmächtig die totale Abkehr der bisherigen Energiepolitik und den Ausstieg aus der Atomenergie. Wie viel dies die Bürger kosten wird und was das Volk dazu meint, war und ist ihm schlichtweg egal. Strategielos manövriert sich die Schweiz deshalb nun Schritt für Schritt auf den energiepolitischen Abgrund zu.
Volksentscheide gegen Energiewende
Die Anzeichen des Scheiterns der Energiewende zeichnen sich bereits ab. Das Volk sprach sich in mehreren kantonalen Abstimmungen gegen die nötigen Massnahmen aus, um den Verlust aus der Kernenergie zu kompensieren oder den Stromverbrauch zu drosseln. Im März 2013 verwarfen die Stimmbürger aus dem Kanton Bern klar die Initiative „Bern erneuerbar“. Diese hätte teure Liegenschaftssanierungen und steigende Mieten zur Folge gehabt. Auch im Kanton Freiburg sagte die Stimmbevölkerung 2012 Nein zum neuen Energiegesetz. Hauseigentümer wären dadurch verpflichtet worden, Elektroheizungen durch andere Wärmequellen zu ersetzen.
Nicht nur auf kantonaler Ebene sieht die Situation aus Sicht des Bundesrates ernüchternd aus. Auch Abstimmungsresultate auf Gemeindeebene verheissen nichts Gutes für die Praktikabilität der Energiewende. Die Ablehnung des Baus eines Windparks auf dem Gemeindegebiet der beiden Waadtländer Gemeinden Daillens und Qulens-sous-Echallens im Juni 2013 hätte mit 78,3 und 85,4 Prozent Nein-Stimmen kaum wuchtiger ausfallen können.
Trick des Bundesrates
Der Bundesrat steht vor einem Scherbenhaufen. Seine undurchdachte Strategie ist von Orientierungslosigkeit geprägt. Die Energiewende wird dort, wo das Stimmvolk die Möglichkeit zur Äusserung hat, als untauglich und volksfern entlarvt und abgelehnt. Trotz diesen klaren Anzeichen und Rufen zur Umkehr, geht der Bundesrat unbeirrt seinen eingeschlagenen Weg weiter. „Die lästigen Stimmbürger sollen gefälligst nicht immer in unsere Pläne“, denkt sich das demokratisch nicht-legitimierte Gremium wohl.
Da der Bundesrat merkt, dass das Volk allenfalls nicht mit seiner Strategie einverstanden sein könnte, versucht er die Stimmbürger mit einem perfiden Trick ins Ja-Lager zu drücken. In einer ersten Phase sollen zunächst die Ziele der Energiepolitik festgelegt werden, ohne dass das Volk dabei mitreden darf. Erst wenn es zu einem späteren Zeitpunkt um die Einführung der einschneidenden Massnahmen geht, dürfen sich die Stimmbürger dazu äussern. Dann aber wird der Bund mit seiner Planung derart fortgeschritten sein, dass er dem Volk ein Ja nahelegen wird, da die Schweiz sich sonst in einer energiepolitischen Sackgasse befände. Der Bundesrat ist aufgerufen, auf solche Spielchen zu verzichten. Anstatt dessen muss er nun so bald wie möglich Volk und Stände gleichzeitig über Ausrichtung und Umsetzung der Energiepolitik befragen.
Radikale Öko-Kur ist nicht kostenlos
Im Zeitalter des internationalen Standortwettbewerbs kann die Schweiz nicht ohne erhebliche volkswirtschaftliche Verluste eine radikale Energiepolitik durchsetzen. Immer höhere Lenkungsabgaben und ökologisch motivierte Zusatzbelastungen durch Steuern gefährden den Wirtschaftsstandort Schweiz und unseren Wohlstand. Dessen müsste sich der Bundesrat eigentlich bewusst sein. Trotzdem scheinen ihn die Fakten nicht zu kümmern. Unverfroren treibt er die Strompreise mit zusätzlichen Steuern und Abgaben weiter nach oben.
Im Dezember 2012 hat das Institut für Wirtschaftsstudien Basel (IWSB) eine Übersicht zur Steuerbelastung der Elektrizität zusammengestellt. Im Jahr 2009 betrug der Strompreis in der Schweiz im Durchschnitt 15,2 Rappen pro Kilowattstunde, wovon Steuern und Abgaben 4,24 Rappen betragen. Der Staat verdient also an jeder Kilowattstunde 28 Prozent – Tendenz steigend. Allein seit 2008 ist gemessen am Umsatz der Endverbraucher eine Preiserhöhung von rund zehn Prozent zu beobachten. Vor dem Hintergrund der Energiewende dürften die Energiepreise nochmals massiv ansteigen.
Energie-Sozialismus
Der Staat macht nicht nur mit immer noch grösseren Steuer- und Abgabegelüsten auf sich aufmerksam. Mit einer unverschämten Klientelpolitik verunmöglicht er auch marktwirtschaftliche Lösungen, die sich an den Bedürfnissen der Verbraucher orientieren. Mit anderen Worten: Wir schreiten in grossen Schritten in Richtung Energie-Sozialismus.
Damit Energieanbieter auf dem freien Markt bestehen können, sind sie auf Preissignale angewiesen. So können sie abschätzen, ob ein Engagement in einem gewissen Bereich rentabel ist oder nicht. Wenn nun aber der Staat gewissen Anbietern, die er für „förderungswürdig“ hält, riesige Subventionsbeträge hinterherwirft, werden diese Preissignale verfälscht. Das Ergebnis könnte paradoxer kaum sein: Die Verbraucher werden gezwungen, Subventionen mit immer höheren Steuern und Abgaben zu berappen, die dafür eingesetzt werden, die Energiepreise insgesamt noch stärker zu verteuern, weil marktfähige Anbieter vom Staat verdrängt werden. Der Verbraucher ist der grosse Verlierer auf der ganzen Linie – wie das bei sozialistischen Experimenten so üblich ist.
Anhänger der erneuerbaren Energie könnten nun einwenden, dass gewisse Energieanbieter aus Umweltschutzgründen förderungswürdiger seien als andere. Dem ist Folgendes zu entgegnen: Abgesehen davon, dass es schwierig ist, einzelne Energieträger als „umweltfreundlich“ oder „umweltschädlich“ abzustempeln, gibt es auch marktwirtschaftliche Lösungen zur Förderung der erneuerbaren Energien. Bestes Beispiel dafür ist der Markt für Ökostrom. Viele Unternehmen haben sich freiwillig der Nachhaltigkeit verpflichtet – ganz ohne staatlichen Zwang. Sie haben gemerkt, dass ihre Kundschaft Wert auf Umweltschutzaspekte legt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Beachtung von Umweltstandards oftmals umsatzrelevant geworden. Bewusst vermarkten die Firmen ihre Wohltaten zugunsten der Natur. Kontrolliert werden sie dabei von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die kritisch beobachten, wie ernst es den Unternehmen mit ihren Marketingslogans ist. Der Markt korrigiert sich selbst und geht besser auf die Wünsche der Verbraucher ein als ein dirigistischer Staatsapparat. Unfassbar, dass wir diese Lektion fast ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall immer noch nicht gelernt haben.
Olivier Kessler, 1986, studiert International Affairs & Governance an der Universität St. Gallen (HSG). Er ist Kommunikations- und Strategieberater in einer PR-Agentur und freischaffender Journalist. Während vier Jahren war er Sekretär der SVP Kanton Schwyz und orientierte sich stets an einem freiheitsliebenden Kompass.
Bild: Wikipedia
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